Sonntag, 9. Mai 2010

Mahler, Sinfonie Nr. 2 - Otto Klemperer



Gustav Mahler
(1860-1911)

Sinfonie Nr. 2

The Philharmonia Orchestra
The Philharmonia Chorus

Hilde Rössel-Majdan, Mezzosopran
Elisabeth Schwartzkopf, Sopran
Chorleiter: Wilhelm Pitz

Dirigent: Otto Klemperer

LP: Columbia SAX 2473, 2474


Die beste Mahler-Aufnahme von Klemperer und gleichzeitig die beste Aufnahme für Mahlers 2. Sinfonie. Anders als damals, als Klemperer diese Aufnahme gemacht hat, haben wir heute unzählige Aufnahmen für diese Sinfonie. Aber diese fast 50 Jahre alte Aufnahme gilt bis heute als die einsame Spitze. Einen guten Ruf hat allerdings die alte Aufnahme von Claudio Abbado (aus 70er Jahren, DGG), die die Stärke des Chicago Symphony Orchestras deutlich gezeigt hat. Aber trotzdem klingt sie irgendwie kammermusikalisch. Klemperers Aufnahme stellt uns dagegen einen echten großen, dicken Orchesterklang vor, der leider längst verloren gegangen ist. Insgesamt klingt alles sehr lebendig und sogar gelassen. Neurotische Klänge, die man in den neueren Aufnahmen immer wieder hört, kann man in dieser Aufnahme nirgendwo finden. Auch die Aufnahmequalität ist vortrefflich.


Schubert, Fantasie f-moll D 940 - Murray Perahia & Radu Lupu



Franz Schubert

(1797-1828)

Fantasie für Klavier zu vier Händen f-moll D 940

Murray Perahia & Radu Lupu, Klavier

LP: CBS IM 39511


Wahrscheinlich die schönste Musik in der ganzen Musikgeschichte. Komponiert im Jahr 1828, also Schuberts Todesjahr. Wie all seine Spätwerke (z. B. Streichquintett und Klaviersonaten), soll auch dieses Stück, glaube ich, möglichst symphonisch klingen. Und wie schon William S. Newman und Helmut Hofmann bemerkt haben, ist es in der Musik von Schubert wichtig, das gleichmäßige Tempo beizubehalten. Wie bekannt, erzielt Schubert seine musikalische Dramatik hauptsächlich durch die harmonische Rückung und den dynamischen Kontrast. All diese Elemente sollten aber auf der stabilen Basis der Grundannahme des Tempos stehen, das im allgemeinen danach strebt, gleichmäßig oder sogar gelassen zu sein, mit anderen Worten, die "den Erzählfluss störenden Zeitbrüche" (Hofmann) nicht zu erlauben. Sonst wird die ganze musikalische Struktur sehr instabil und unsicher, wie man beim Hören der meisten Einspielungen erfahren kann (insbesondere die bekannte Live-Aufnahme von Kissin und Levine). Perahia und Lupu gelingt es im höchsten Maße, das Stück symphonisch klingen zu lassen und das Tempo möglichst gleichmäßig beizubehalten. Und der Anschlag ist so feinsinnig, dass man sich etwas Besseres kaum vorstellen kann. Auch die Aufnahme ist ausgezeichnet, man kann echt reichliche Klänge erfahren. Das einzige Manko ist, dass man ein paar Stellen die Spuren des Schnitts ziemlich deutlich erkennt. Aber im Großen und Ganzen eine wirklich fantastische Aufnahme.


Mittwoch, 20. Mai 2009

Mahler, Sinfonie Nr. 5 - Pierre Boulez



Gustav Mahler
(1860-1911)

Sinfonie Nr. 5

Wiener Philharmoniker
Dirigent: Pierre Boulez

CD: Deutsche Grammophon Gesellschaft 453 416-2


Die originellste Mahler 5. überhaupt. Die Interpretation dieser Sinfonie ist jahrzehntelang hauptsächlich von Bernstein und Barbirolli stark geprägt - schleppend, feierlich, überemotional usw. Aber Boulez macht völlig anders. Alles ist überraschend, schockierend modern - unglaublich transparentes Klangbild, sehr klare Struktur. Jeder Ton ist hörbar. Das Tempo ist schnell, aber sehr stabil. Als Komponist ist Boulez ein sehr problematischer Typ, aber als Dirigent wirklich hervorragend. Die Klangqualität ist auch vortrefflich.


Samstag, 16. Mai 2009

J. S. Bach, Goldberg-Variationen - Glenn Gould



Johann Sebastian Bach
(1685-1750)

Goldberg-Variationen, BWV 988

Glenn Gould, Klavier

LP: CBS IM 37779




"Was aber war gewesen während all der Zeit, in der er das geworden, was er nun war? - Erstarrung; Öde; Eis; und Geist! Und Kunst! ... Er blickte zurück auf die Jahre seit damals bis auf diesen Tag. Er gedachte der wüsten Abenteuer der Sinne, der Nerven und des Gedankens, die er durchlebt, sah sich zerfressen von Ironie und Geist, verödet und gelähmt von Erkenntnis, halb aufgerieben von den Fiebern und Frösten des Schaffens, haltlos und unter Gewissensnöten zwischen krassen Extremen, zwischen Heiligkeit und Brunst hin und her geworfen, raffiniert, verarmt, erschöpft von kalten und künstlich erlesenen Exaltationen, verirrt, verwüstet, zermartert, krank..."

- Thomas Mann, Tonio Kröger


Freitag, 15. Mai 2009

Bruckner, Sinfonie Nr. 8, Eugen Jochum



Anton Bruckner
(1824-1896)

Sinfonie Nr. 8

Staatskapelle Dresden
Dirigent: Eugen Jochum

LP: EMI 2C 167-03402/3


Wer hat eigentlich die beste 8. Sinfonie von Bruckner aufgenommen? Die Antworten auf diese Frage sind sich relativ einig - für die Oldtimer-Liebhaber die legendäre Stereo-Aufnahme von Hans Knappertsbusch (Münchner Philharmoniker, Westminster), und für die Anhänger der Digital-Technik die brillante letzte Aufnahme von Karajan (Wiener Philharmoniker, DGG). Schließlich für die richtigen Hardcore-Bruckner-Freaks die traumhafte, sagenhafte Aufnahme von Carl Schuricht (Winer Philharmoniker, EMI).

Aber für mich? Ohne Zögern die aus der zweiten Gesamtaufnahme von Eugen Jochum. Die meisten Dirigenten dirigieren diese Sinfonie so, dass sie ein breites Tempo nehmen, um die Hörer die erhabene Seite des Werkes genug erfahren zu lassen. Aber Jochum behandelt diese Sinfonie völlig anders. Seine Bruckner 8. 'marschiert' mit voller Wucht. Das Tempo ist ziemlich schnell, und es klingt fast wie eine Improvisation. Dabei spielt der eigentümliche Klangcharakter der Staatskapelle Dresden eine große Rolle. Dieses Orchester ist vor allem wegen seines sehr dynamischen, hemmungslosen Klangs berühmt. Und die beispiellos stark, mächtig klingenden Blechbläser darf man auch nicht vergessen. Aus all diesem resultieren die unvergeßlich spannenden Momente. So spannenden Bruckner habe ich bisher nie gehört.


Mittwoch, 13. Mai 2009

J. S. Bach, Sonaten für Violine und Cembalo, Leonid Kogan und Karl Richter



Johann Sebastian Bach
(1685-1750)

Sonaten für Violine und Cembalo Nr. 1 - 6
BWV 1014 - 1019

Sonate Nr. 1 h-moll BWV 1014

Sonate Nr. 2 A-dur BWV 1015

Sonate Nr. 3 E-dur BWV 1016
Sonate Nr. 4 c-moll BWV 1017
Sonate Nr. 5 f-moll BWV 1018
Sonate Nr. 6 G-dur BWV 1019


Leonid Kogan, Violine
Karl Richter, Cembalo

Ort und Zeit der Aufnahme: München, Januar und Mai 1972,
Studio III des Bayerischen Rundfunks
Produzent: Hans Richard Stracke
Toningenieur: Horst Lindner

LP: Eurodisc 85 935 XK


Gewaltiges Werk und gewaltige Interpreten. Wer hätte das gedacht, dass die zwei Giganten der Musikwelt, der riesenhafte russische Geiger Leonid Kogan und der Inbegriff der Bach-Interpretation Karl Richter zusammen Bach spielen werden? Eine äußerst ungewöhnliche, fast unvorstellbare Kombination! In diesem Fall ist es gar nicht möglich, dass sich der eine in die Interpretation des anderen einmischt. Außerdem stehen die beiden in den völlig anderen Traditionen und jeder von ihnen hat seinen eigenen starken Charakter. Alles kann total schief gehen. Wo soll der interpretatorische Kompromiss stehen?

Kritisches Abhören nach der Aufnahme. Von rechts nach links:
Karl Richter, Leonid Kogan, Horst Linder, Hans Richard Stracke


Diese auf den ersten Blick sehr gefährlich zu sein scheinende Spannung verwandelt sich aber in eine perfekte Harmonie. Das Ergebnis ist; eine unglaublich ernsthafte Interpretation. Alles ist sehr dicht, sehr tief und sehr (im positiven Sinne) spannend. Karl Richter hat schon 1966 mit Wolfgang Schneiderhan dasselbe Werk aufgenommen, aber der damaligen Aufnahme fehlt die Ernsthaftigkeit und Spannung, welche Kogan und Richter hier gnadenlos deutlich gezeigt haben.

Ich kenne keine zweite Aufnahme, in der die Zusammenarbeit der Weltklassenmusiker so ernsthaft und spannend erscheint. Eine wirklich monumentale Einspielung der ganzen Aufnahmegeschichte.

P.S. ... Als der Termin für die nächste Sitzung bekanntgegeben wurde, wandte sich Richter mit gespielter Mißbilligung an seinen Kollegen: "Haben Sie gehört, Herr Kogan, morgen früh um 10 Uhr. Wie klingt denn Bach um 10 Uhr morgens?" Kogan schaltete blitzschnell, mit der Solidarität des durch skrupellose Schallplattengesellschaften in Ost wie West ausgebeuteten Musikers. "Bach klingt überhaupt nicht um diese Zeit", war in fließendem Deutsch sein lakonischer Kommentar. Die nächste Sitzung begann nachmittags um 16 Uhr. - Hans Richard Stracke



Dienstag, 12. Mai 2009

Mozart, Sinfonia Concertante Es-dur KV 364 - Walter Barylli, Paul Doktor



Wolfgang Amadeus Mozart
(1756-1791)

Sinfonia Concertante Es-dur für Violine, Viola und Orchester KV 364

Walter Barylli, Violine
Paul Doktor, Viola
Orchester der Wiener Staatsoper
Dirigent: Felix Prohaska

LP: Westminster XWN 18041


Eine der schönsten Sachen in dieser Welt ist, die Wiener Musiker der 50er Jahren zu hören. Walter Barylli war der Inbegriff dieser Epoche und des damaligen musikalischen Typus. Als ein gebürtiger Wiener war er Konzertmeister der Wiener Philharmoniker, der Gründer und Leiter des Brarylli-Quartetts und Professor an der Wiener Musikhochschule. Gott sei Dank hat er in den 50er Jahren hauptsächlich bei Westminster eine Menge Platten aufgenommen, aber leider Gottes sind die meisten von diesen Originalplatten heutzutage relativ schwer zu finden (außerdem meistens schlecht erhalten), und vor allem ziemlich teuer.

Seine wichtigsten Repertoires waren unter anderem die Kammermusik von Mozart, Beethoven und Schubert. Diese Aufnahme mit den ebenso aus Wien stammenden Musikern Paul Doktor und Felix Prohaska (das Orchester ist auch ein Wiener Orchester!) ist eines der besten Ergebnisse seines musikalischen Schaffens. All die typischen wienerischen Elemente kann man in ihr finden - Natürlichkeit, Warmherzigkeit, Lebensfreude, aber auch Eleganz. Meiner Meinung nach sind diese schönen Dinge selbst bei den heutigen Wiener Musikern schon längst verloren gegangen. Deswegen wundern sich die Hörer unserer Zeit immer darüber, dass damals solches Musizieren möglich war. Können wir Musik wieder so machen?